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Migrantinnen vernetzen und weiterbilden

Femmes-Tische in gut einem Dutzend Sprachen vernetzen Frauen mit Migrationshintergrund, ermöglichen den Austausch in der eigenen Sprache und sind Weiterbildung in Themen wie Gesundheit, Frühförderung und Budgetkompetenz. Seit 2008 bildet Caritas St.Gallen-Appenzell Moderatorinnen aus, sie organisieren und moderieren die Treffen. 2016 fanden in Flawil ebenfalls Femmes-Tisch-Runden statt.

Angelica Frei, Özlem Pinar und Rigbe Gebrehiwet (von links)
erzählen von ihren Erfahrungen.

Ein Sitzungszimmer von Caritas St.Gallen-Appenzell. Die drei Moderatorinnen waren bei Bernadete Moosmann (Standortleiterin Projekt Femmes-Tische) zur Besprechung und Weiterbildung. Ihre Lebensumstände sind verschieden. Die 39-jährige Angelica Frei, Krankenschwester aus Brasilien, ist seit 2007 in der Schweiz. Die 38-jährige türkische Kurdin Özlem Pinar ist ausgebildete Dentalassistentin. Sie kam 1992 in die Schweiz. Beide sprechen sehr gut Deutsch. Die dritte im Bunde, Rigbe Gebrehiwet aus Eritrea, flüchtete vor acht Jahren in die Schweiz. Sie hatte keine Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen.

Vieles ist neu

Alle drei sind verheiratet, haben Kinder, Deutsch ist für sie eine Fremdsprache und vieles was für Schweizerinnen ganz normal ist, unterscheidet sich teils massiv vom Leben in ihren Heimatländern. Für Angelica Frei war es von Anfang an einfacher, sich um Versicherungen, Arzttermine oder Schulfragen zu kümmern. Sie ist mit einem Schweizer verheiratet, der die hiesigen Verhältnisse kennt. Özlem Pinar hat mittlerweile gut 20 Jahre Erfahrung, auch sie und ihr Mann, ebenfalls Kurde, kommen heute gut zurecht. Für Rigbe Gebrehiwet und ihren eritreischen Mann ist sehr viel neu. «In Eritrea gibt es beispielsweise keine Krankenkasse oder auch keine Elternabende in der Schule», sagt sie. Zum Glück erhält ihre Familie grosse Unterstützung durch eine Schweizer Familie.
Alle drei kennen nagendes Heimweh und das Gefühl, in der Schweiz nicht bei allen willkommen zu sein. Manchmal zeigt sich das in vermeintlich unbedeutenden Situationen. «Kürzlich lief ich bei einem Grossverteiler an einer Käsedegustation vorbei», erzählt die dunkelhaarige Özlem Pinar. «Die Verkäuferinnen animierten lediglich Frauen und Männer mit ‹westlicherem› Aussehen zum Probieren, mich sprachen sie gar nicht an.» Die Brasilianerin Angelica Frei sagt: «Mit dem Namen Frei ist vieles einfacher.»

Ausbildung wichtig

Der kurze Einblick in das Leben der drei Frauen zeigt, wie hilfreich die Treffen an den Femmes-Tischen sind. Özlem Pinar, Rigbe Gebrehiwet und Angelica Frei wurden von Caritas als Moderatorinnen ausgebildet. Nun führen sie selber Femmes-Tische durch. Die Treffen finden meist bei jemandem privat statt. Zuerst wird die jeweilige Gastgeberin gesucht, dann erfolgt die Einladung an die Frauen und die Durchführung des Treffens. «Wir bringen Frauen zusammen, besprechen wichtige Themen, und es tut zusätzlich allen gut, sich während einiger Stunden in der Muttersprache austauschen zu können», sagt Özlem Pinar. Die Themen werden gemeinsam mit Caritas festgelegt. Fotos oder DVDs helfen, ins Gespräch zu kommen. In der Ausbildung haben sie gelernt, als Moderatorinnen beim Thema zu bleiben, nachzufragen, offene Fragen zu beantworten. «Zu den Femmes-Tischen können die Kinder mitgebracht werden, immer gehört auch das gemeinsame Essen und Trinken dazu. Gewohnte kleine Gerichte oder Süssigkeiten, auch das hilft gegen die Sehnsucht nach dem zu Hause.
Macht es Sinn, wenn Frauen mit Migrationshintergrund nur unter sich sind? «Ja», sind sich die drei Frauen einig. Es sei zumindest in den ersten Jahren und mit wenigen Deutschkenntnissen sehr wichtig, sprachlich alles gut zu verstehen. Vor allem Migrantinnen sind oft allein zu Hause. Sie wissen wenig über das Schul- oder Gesundheitssystem und kennen die wichtigen Ämter nicht. Dass Deutschlernen unbedingt zum Leben in der Schweiz gehört, ist für die Moderatorinnen selbstverständlich. Alle drei sind auch ab und zu als Dolmetscherinnen gefragt, privat oder im Fall von Özlem Pinar auch für Ämter und Gerichte.

Zwölf Femmes-Tisch-Runden in Flawil

Im Jahr 2016 fanden 256 Femmes-Tisch-Runden statt. 37 Frauen moderierten in zwölf verschiedenen Sprachen. In der Gemeinde Flawil führten vier Moderatorinnen zwölf Runden in sechs verschiedenen Sprachen durch.
Die Teilnehmenden setzen sich aktiv auseinander mit Themen des Alltags in der Schweizer Gesellschaft. Die Moderatorinnen ihrerseits profitieren von Weiterbildungen und Workshops. Im Jahr 2016 wurden die Themen «Fit für den Kindergarten», «Gesunder Lebensstart», «Krankenkasse» und «Ernährung und Bewegung» behandelt.